Dem trauere ich hinterher

Nach 35 Jahren geht das Lieblingsfahrzeug der Feuerwehr in Rente

Geseke. Irgendwie scheint das Tanklöschfahrzeug traurig zu schauen – so als wüsste es, dass seine aktiven Tage gezählt sind. Ohne Blaulichter sieht der Unimog ohnehin nicht mehr authentisch aus. Dass die Staufächer mit der Ausrüstung zur Brandbekämpfung auch schon leer sind, fällt da gar nicht mehr ins Gewicht. Nach 35 Jahren muss sich der Löschzug Geseke schweren Herzens von seinem Lieblingsfahrzeug trennen.

Etwas Wehmut liegt darum auch in der Luft, als Ulrich Oesterwalbesloh (er kennt jede Schraube an dem Lkw), Löschzugführer Markus Fara, der stellvertretende Leiter der Feuerwehr Alexander Beutler und Pressesprecher Michael Nagelmeier in Erinnerungen schwelgen. „Das ist ein Fahrzeug mit besonderem Charakter, kein x-beliebiger Lkw“, weiß Nagelmeier. Und es ist trotz seines Alters „das schnellste Fahrzeug im Zug“, schiebt Oesterwalbesloh nach. Wenn es sein musste, konnte man die Tachonadel sogar bis zum Anschlag treiben – keine schlechte Eigenschaft also, wenn im Einsatz die Sekunden zählen. 5,6 Liter Hubraum bergen schließlich eine Menge Kraft.

Doch nicht die Geschwindigkeit machte das TLF 8/18 so beliebt. Legendär und etlichen Mitgliedern der Feuerwehr bekannt ist die Geschichte, als sich auf dem Bahnübergang der B 1 im Jahr 1984 ein schrecklicher Unfall erreignete: Damals wurde ein Ehepaar aus Düsseldorf tödlich verletzt, weil ihr Pkw von einem Zug erfasst und 230 Meter mitgeschleift wurde. Zur Bergung musste damals das noch fast neue TLF über die Gleise rumpeln, weil die Feuerwehr anders nicht zur Unglücksstelle gelangen konnte. Die Tour übers Gleisbett steckte der Wagen klaglos weg, auch wenn die Reifen anschließend übel aussahen. Die Geländegängigkeit war damit bewiesen. Die hohe Bodenfreiheit hat indes den Nachteil, dass die Fuhre einen hohen Schwerpunkt hat und die 1800 Liter Wasser schwer wiegen. Darum ist das TLF sogar einmal auf die Seite gekippt, als ein weicher Fahrbahnrand nachgab. „Es war nur der Spiegel eingeklappt“, ist Oesterwalbesloh hörbar stolz auf die Unverwüstlichkeit des Lasters.

Beliebt bei den Kameraden ist auch die Dachluke: Bei Flächenbränden konnte von dieser hohen Warte aus per C-Rohr während der Fahrt gelöscht werden. Und als Ende der 80er Jahre nach starkem Schneefall viele Bäume entlang der Rüthener Straße bei Eringerfeld umgestürzt waren, gelangte der Unimog als einziger durch den tiefen Schnee zur Einsatzstelle.

Daher wird der Unimog höchstwahrscheinlich leicht einen Neubesitzer finden. Mit kaum 40 000 Kilometern auf dem Tacho ist die eckige Baureihe beliebt – sei es in der Landwirtschaft, weil eine Zapfwelle leicht nachgerüstet werden kann, sei es bei Liebhabern historischer Feuerwehrfahrzeuge. Und: Er darf mit seinen 7,5 Tonnen mit dem alten Klasse-3-Führerschein gefahren werden.

„Wegen technischer Kriterien im Einsatzkonzept macht der Wagen keinen Sinn mehr“, so Fara, denn „in 35 Jahren ändert sich so einiges“. Das lässt sich schon am Namen des Nachfolgers ablesen: Der TLF 4000 führt vier Kubikmeter Wasser mit sich, hat eine höhere Pumpleistung und ist mit Sonderlöschmitteln ausgestattet: Pulver, Schaum, CO2. „Der ist speziell für Autobahneinsätze gut geeignet“, weiß Fara. Nachteil ist sein Gewicht: 16 Tonnen bringt der Neue auf die Waage. Um die schwere Generation überhaupt bewegen zu können, wurden allein in den letzten drei Jahren zehn zusätzliche Kameraden für den Führerschein der Klasse C ausgebildet.

Ulrich Oesterwalbesloh klettert derweil in die Kabine des Veterans. Bei 2500 Einsätzen hat der TLF 8/18 ihm und seinen Kameraden treue Dienste geleistet. Der Motor brummt zufrieden, „den höre ich aus allen anderen raus“, beteuert der Experte. Auch ohne Blaulicht, Martinshorn und Funk ist es immer noch sein Lieblingsfahrzeug. Er gibt ehrlich zu: „Dem trauere ich hinterher“.

Geseker Zeitung - Der Patriot vom 14.10.2017